Finnen sind die glücklichsten und coolsten Europäer

Was mir sofort positiv in Erinnerung bleibt, im ersten Land der Welt, welches mit dem Grundeinkommen experimentiert hat, ist die Geduld für Zeit und Raum als Anker im kulturellen Code der Finnen.

Am nordöstlichen Rand von Europa, dicht an einer 1.800 km langen Grenze mit Russland gelegen, ist die Anreise von Deutschland aus keine südländische Flugtaktung und erinnert mich an eine steile These: Wenn es warm und einfach ist, dann ist der faule Tourist nicht weit.

Es existiert aktuell nur eine einzige Fährverbindung in Deutschland, von Travemünde nach Helsinki. Mit dem Schiff dauert die Überfahrt 26 Stunden, dabei erscheint mir Europa auf der Ostsee wie ein endloser Kontinent, einmal in der Koje schlafen reicht gerade mal für die Hälfte der Reisezeit. Ähnlich lange dauert eine Autofahrt und führt entweder durch fast ganz Schweden oder östlich an den baltischen Ländern vorbei bis zur Fähre von Tallin nach Helsinki.

In Finnland existiert eine wunderbare Kombination aus lebenslanger Bildung, einer Sinnhaftigkeit für die Natur mit unendlichen Seen und Wäldern wo man den Fischen beim Baden zuhören kann. Technologie verstehen sie als Lösung für den Menschen und weniger als autoritärer Heilsbringer des unsichtbaren Marktes.

Helsinki ist die erste Stadt der Welt, die sich mit dem Titel „City as a Service“ schmückt und um die Talente der Zukunft ringt. Hinzu ist diese gesunde Mischung aus Sturheit und Ausdauer, dem finnischen Sisu, ein unterschätztes, gesellschaftliches Vorbild für inneres Empowerment.

Es wird weniger gequatscht, dafür ist die Präsenz von geistigen und körperlichen Handlungen stärker, den Anderen einfach sein lassen, Raum und Zeit geben, sich nicht über andere stellen und dabei lästige Behördengänge so digital wie nur möglich zu gestalten.

Finnland ist leise schön. Laut der UN das nachhaltigste Land der Welt, das technisch höchstentwickelte mit den schlausten Kindern und an letzter Stelle was Korruption angeht, in der Welt natürlich.

Kurioserweise sind die Finnen in Sportarten mit Helmen besonders stark: Formel 1, Skispringen oder Eishockey. Angst scheint kein gern gesehener Berater zu sein. Und aus dem Pool von 5,5 Millionen Menschen kultivieren sie einen stetigen Fluss an potentem Nachwuchs in Helmsportarten bei denen bevölkerungsreiche Nationen wie China oder Indien durchaus etwas lernen können.

Es ist eines der wenigen Länder, bei denen mal als Deutscher positiv wahrgenommen wird, was unter anderem einer Waffenbruderschaft zu verdanken ist. Im Finnischen Bürgerkrieg 1918 wurden finnische Soldaten in Preußen ausgebildet. Kaiserliche Truppen kämpften an der Seite der Bürgerlichen und sicherten deren Sieg gegen die Kommunisten; diese waren von den Sowjets mit Waffen und Freiwilligenverbänden ausgestattet. Danach wäre Oskar, der Sohn des deutschen Kaisers fast König von Finnland geworden, aber die Kapitulation Deutschlands im Ersten Weltkrieg kam dem zuvor.

Hanko wird auch die finnische Riviera genannt, zu erkennen an den wunderschönen Strandhäusern 

Positiv verfolgt habe ich das Experiment Grundeinkommen. Über zwei Jahre hatten zufällig ausgewählte Arbeitslose 560 Euro monatlich ausgezahlt bekommen, was ungefähr dem monatlichen Arbeitslosengeld in Finnland entspricht. Ergebnis: Sie waren glücklicher und hatten ein stärkeres Vertrauen in ihre Zukunft und ihre eigenen gesellschaftlichen Mitwirkungsmöglichkeiten. Es hat aber keine Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt für sie gehabt.

Was den Respekt für die Privatsphäre angeht hat mich der Gang zur Apotheke ebenso positiv überrascht. Jeder Kunde wird in einer eigenen Kabine in Ruhe beraten, keiner muss in der Schlange stehen und den Anderen unfreiwillig etwas offenbaren. Platz für den Anderen lassen, geistig und köperlich, äußert sich auch darin, dass oberflächliches Anstarren von Menschen in sozialen Codes eher verpönt ist und in meiner Wahrnehmung in Westdeutschland beliebter ist.

Das einzige finnische Wort was es in den internationalen Sprachgebrauch geschafft hat und gleichzeitig von den Finnen erfunden wurde ist die Sauna. Sie ist überall und fast jeder nutzt sie, gerne auch beim Genuss von Bier oder Wodka. Klar, es ist kalt und dunkel im langen Winter, dabei dient die Sauna als sozialer Treffpunkt des kurzfristigen Aufwärmens, obwohl Männer und Frauen getrennt sind.

Ich kann natürlich unzählige Links und Tipps hinterlassen, aber irgendwie passt das nicht zu Finnland, ihr solltet es selber erleben und erfahren auf den Straßen ohne Namen.

Ein Buch aus dem wunderbaren Ch. Links Verlag kann ich aber empfehlen, was kulturgeschichtlich relevant ist und aus der Sicht eines deutschen Journalisten in Finnland, Rasso Knoller, humorvoll und erhellend geschrieben ist: Finnland. Ein Länderporträt.


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