Läßt man Journalisten ihre eigene Berufsbezeichnung erklären, wird es bestimmt viele verschiedene Interpretationen geben – und das ist auch gut so. Denn im Grunde kann jeder Journalist sein, die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt.
Wirklich definieren lässt sich dagegen Inhalt und Kontext. „Qualitätsberichterstattung“ etwa basiere auf verifizierten Fakten, die durch professionelles und erwachsenes Urteilsvermögen bestimmt sind, erklärte Tom Stites bei der Bürgermedienkonferenz in Harvard. Weiter seien Integrität und der Anreiz für Leser, dass ihre Intelligenz gefordert wird, ein wichtiger Baustein.
Geht man nach der gängigen Definition, könnte jeder ein Bürgerjournalist sein und mit User Generated Content (UGC) glänzen. Aber was passiert, wenn dieser Inhalt so gut ist, dass er bezahlt werden sollte? Ist es dann immer noch UGC oder ist daraus Journalist Generated Content (JGC) geworden?
Im Definitionsangebot für Bürgerjournalismus ergänzt Stites: „Journalismus produziert von Nicht-Journalisten, willkürliche Akte von Nicht-Journalismus, Leser die an der Produktion vom Inhalt mitmachen oder ganz einfach Bürgerjournalismus ist Menschenmedien,“ dabei sollte zwischen dem Zivilbürger und Gemeinschaft unterschieden werden.
Das Verständnis für Bürgermedien in Deutschland ist schon etwas älter und von offenen Fernsehkanälen und freien Radios geprägt. Einige Bürgerjournalisten der ersten UGC-Welle haben den Sprung in den privaten oder öffentlich-rechtlichen Rundfunk geschafft, nur die kritische Masse blieb aus. Allerdings: Das Ur-Verständnis des Internet, dass es eine unglaubliche Gleichstellung ermöglicht, rückt durch den Bürgerjournalismus à la Web 2.0 ein Quäntchen näher. Wir werden gleichzeitig demokratischer, interaktiver, transparenter, lokaler und globaler. Wow!
Inzwischen erhoffen sich viele Medienhäuser, dass digitale Bürgerinhalte einen wichtigen Bestandteil im Medienmix spielen werden. Vor allem der kämpfende Lokaljournalismus könnte durch die Zusammenarbeit von Blogs und Online-Bürgermedienplattformen an Profil gewinnen, gerade weil die Regionalzeitung schwächelt. So vermutet der Blogger der ersten Stunde, Doc Searls: „Die lokale Zeitung in Santa Barbara steht vor dem Zusammenbruch und diese Lücke füllt edhat mit weichen Lokalnachrichten ganz gut.”
In Zukunft wird es immer wichtiger werden, dem Nutzer aufgrund der riesigen Informationsflut Hilfestellungen zu bieten und Signale zu filtern; dies wird nur mit Web-Aggregatoren im Verbund mit menschlichen Moderatoren möglich sein. Übrigens: Menschen in den etablierten Medien experimentieren aktiv mit der magischen Inhaltsproduktion. So sendet CNN bewegte Bilder von Bürgerjournalisten in die Röhre und AOL experimentiert mit ungeschnittenen Amateurvideos. Meistens ist solche Information einfach zu produzieren und daher einfach zu publizieren. In Deutschland zeigen die Leserblogs der Ostsee-Zeitung oder Opinio erste Ansätze, auch Der Tagesspiegel spielt mit der Schnellschreibaktion Sensation. Die Entwicklung ist noch in den Kinderschuhen, aber die Bereitschaft zu experimentieren ist wichtig.
Die freien Radios experimentieren schon lange, dabei mussten sie bisher nie einen Cent damit verdienen. Sie verfolgen stattdessen das Ziel einer Gegenöffentlichkeit, um damit marginalisierten Menschen eine Plattform zu bieten. Die Ziele sind wünschenswert, nur leidet die Qualität und die kritische Masse bleibt auf der Strecke. Das soll jetzt in der zweiten UGC-Welle anders werden. Eine der erfolgreichsten Plattformen für Bürgerjournalismus, OhMyNews aus Südkorea macht es vor. Auch Jay Rosen will ab 15. September die Kombination ausprobieren.
Richtig magisch wird es, wenn investigativer Journalismus einen Platz im Bürgerjournalismus findet. Dazu sind bessere Werkzeuge nötig, vor allem die Effizienz von Aggregatoren und detaillierte Meta-Information werden eine entscheidende Rolle spielen. Verbesserungswürdig ist sicherlich die Kommunikation der Journalisten mit den Lesern. Dan Gillmor, Autor von “We the Media” und Leiter des Center for Citizen Media, schlägt ein Stück Demut vor, denn die Leser wissen seiner Meinung nach oftmals mehr als der einzelne Journalist.