Der Besser Ossi

Letzte Woche habe ich mit einem Ostberliner beim Abendessen über die Post-Wendezeit gesprochen. Wir fragten uns was von der DDR übrig geblieben ist. Dann sprachen wir über Ossis, die sich zweimal Begrüßungsgeld abgeholt haben oder anpassungswillige Systemopportunisten aus dem SED-Kader und andere Rädchen der Propaganda-Maschine, die wie Angela Merkel in der Sauna saßen statt für die Freiheit zu kämpfen.

Besser Ossis à la Gauck sind auf die Straße gegangen. Sie standen für etwas, haben für eine neue Zukunft gekämpft, sich in Kirchen getroffen und wollten eine bessere, andere DDR. Viele wurden nach der Wende still und leise verwestlicht und gekauft, wie ein Update des Adobe Acrobats, fast unscheinbar.

Wir waren uns beim Essen einig: Was uns immer noch in der gesamtdeutschen Aufklärung und in Diskussionen fehlt ist der Besser Ossi. Leider hat der Besser Wessi vieles schlecht geredet und auf Äußerlichkeiten reduziert, wie fehlende Bananen, Trabis und Ost-Jeans. Die Post-Wendezeit hat das Zwischenmenschliche, die kulturellen Codes des Miteinanders des Ostens einfach verschluckt, vergessen sie zu reflektieren, geblendet von blühenden Landschaften.

Vergessen wurde auch die Reflexion über die soziale Bande. Der Besser Wessi nutzt die Bande um sich durch andere zu definieren, sich über sie zu erheben, den Nutzen im oberflächlichen Materiellen zu sehen, andere mit Logos zu beeindrucken, die auch Logos tragen denen es eigentlich egal ist. Der Besser Wessi ist gefangen im Vergleichssumpf mit sich und anderen Menschen, verloren in Äußerlichkeiten des Egos, in kurzzeitigen Verminderungen vorrangegangen Leids.

Durch die fehlende Reflektion des anhaftenden Egos mitsamt den zwischenmenschlichen Auswirkungen ist der Besser Wessi der arrogante Cousin von Unsicherheit. Und um diese Unsicherheit zu kaschieren und zu verdrängen, muss das zähe Ego befriedigt werden. Am Ende schadet er sich selber weil die Erkenntnis fehlt.

Der Besser Ossi lebt mit der sozialen Bande im Einklang, fast bandenlos, und definiert sich durch Empathie ohne sich über andere zu stellen oder oberflächlichen Verblendungen sondern mit anderen im gegenseitigen Vertrauen ohne Kontrollzwänge der omnipräsenten Kosten-Nutzenrechnung und passiv-agressivem Taktieren.

Im gerade angebrochenen Mega-Ego-Zeitalter von Tinder und kostenlosen Fitness-Apps, denen ich alle meine Daten minus Romantik auch für billige Hardware hergebe, verkauft sich der Besser Wessi als verkappter, sozialer Neokapitalist blendend. Die Bande wirkt wie ein Spiegel, in dem der Besser Wessi nur sich selber sehen kann, quasi als Teil der Selfie-Schickeria.

Ich glaube der Besser Ossi ist schon längst da, nur ungleich verteilt, wie Rifken unlängst in seinem dicken Schinken Die empathische Zivilisation erklärt und in Kulturzeit erzählt, unser menschlicher Kern ist unendlich weit weg vom Besser Wessi.

Unendlich war die Sicht des Kosmonauten Sigmund Jähn, der erste Deutsche im Weltall. Vielleicht konnte er erkennen wie kleingeistig der Besser Wessi ist. Als Pionier hat er unseren Planeten vom All gesehen und womöglich war es ein anderes, besseres, postvereintes, empathisches, solidarisches, globales Deutschland.

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