Digitale Utopien für Europa?

Unsere Welt als offenes System zu verstehen war einst die Vision technologischer Vordenker aus Europa und Nordamerika.

Es war die Idee eine Vielzahl an Realitäten, Wahrheiten und Beweisbarkeiten zuzulassen und dabei künstliche und neuronale Netze zu verbinden damit neues enstehen kann.

Dabei trafen Hippies in San Francisco auf transhumanistische Experimente eines Timothy Leary und das amerikanische Militär mischte gerne vorne mit; beim Drogen-Sponsoring oder bei der kleinen Schwester des Internets, die als Reaktion auf Sputnik entstanden ist, das Arpanet.

Hinzu kam die Philosophie des Wiener Kreises der späten 20er Jahre sowie die interdisziplinären und exklusiven Macy Konferenzen in New York der 50er. Es war eine eklektische Mischung aus Rock, Revolution, Computer und Drogen. Soziologen trafen auf Hacker, Philosophen auf Mathematiker, Gründer der Kybernetik, der Steuerung von Maschinen, lebenden Organismen und sozialen Organisation, auf Verleger der Digirati.

Teils waren es elitäre Kreise, teils auch Pioniere auf der Suche nach neuen Gesellschaftsformen, Utopien oder Selbstvermarktungsformen, die mit Hilfe von neuen Technologien erprobt wurden.

Es entstand der Begriff „counter culture“ in gedruckter Form im Whole Earth Catalog, deren Herausgeber Stewart Brand, Aktivist und Unternehmer, der nebenbei den Begriff „personal computer“ erfand, eine Art kuratiertes Zuhause schuf.

Die meisten Utopien sind Experimente geblieben, nur einige Subsidiärbetriebe haben überlebt erklärte Lutz Dammbeck während der Veranstaltung Utopie und Implosion der Böll Stiftung. Die meisten Versuche sind gescheitert, alles ist Kapitalismus geworden.

Mit seinem Dokumentarfilm Das Netz hinterließ Dammbeck in 2003 schon einen bleibenden Eindruck in meiner vordigitalen Prägung, vor allem erwachten meine ersten inneren Widerstände gegenüber dem Überwachungskapitalismus.

Dammbeck fragte sich in den Räumen der Böll Stiftung was die Grünen jetzt wohl mit ihrer Macht machen werden? Ich frage mich ob sie an die kurze Leine des Kapitalismus gehalten werden? Spielen sie mit der Ästhetik ihrer Natur-Authentizität eines autarken, empathischen und gemeinschaftlichen Erdenretters? Werden sie vereinnahmt zur Verzweckung der grünen Rendite minus demokratischer Wirtschaft?

Im Publikum regte sich die Frage wann die digitalen Datenkraken implodieren und wie wir uns dagegen wehren sollten. Hinzu wurde über die Metamoral diskutiert und ob diese eine politische Ausprägung inne hat, die eher konservativ rechts oder liberal links steht. Mein Eindruck war, dass solche Fragen für einen Künstler und Filmemacher wie Dammbeck wohl weniger digital sondern eher analog zu beantworten sind.

Als Europäer haben wir die Chance den aktuellen Technologieschub zukunftsfähiger für die Menschen zu gestalten als in Amerika oder China, in denen der Mensch meist nur Mittel zum Zweck ist, wirtschaftlich und politisch. Dabei sollten wir Lösungen entwickeln mit einer Vielzahl von Realitäten, so bunt wie Europa, und Beweisbarkeiten zulassen mit denen wir Utopien abseits von Ego-Likes oder Social Scoring ausprobieren und die schönsten natürlich lange leben.

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