Als Leser der Berliner Zeitung am Wochenende ist mir die Bild & Wort Kolumne Wortstoerung von Raban Ruddigkeit ins Auge gefallen. Sie ist mit Hilfe von lernenden Algorithmen erstellt. Auch sonst hat Raban Ruddigkeit eine frische Sichtweise auf China, Ostdeutschland und Machtverhältnisse.
Gerd Stodiek: In der Wochenendausgabe der BLZ finden die Leser die Bild & Wort Kolumne „Wortstoerung“. Wie kam die Kooperation mit der Berliner Zeitung zustande?
Raban Ruddigkeit: Von 2015 an hatte ich einen wöchentlichen »Grafischen Kommentar« im Tagesspiegel zu aktuellen politischen Fragestellungen. Er stand im Kontext zu verschiedenen Texten zum selben Thema auf einer Seite, die man »Causa« genannt hat. Irgendwann gab es die Rubrik nicht mehr so richtig & auch meine Ansprechpartner waren irgendwo anders gelandet.
Dass ich nach einem halben Jahr Pause so etwas ähnliches in der Berliner Zeitung machen durfte, habe ich der netten Empfehlung einer guten Freundin zu verdanken. Und während man beim Tagesspiegel immer wieder darauf drängte, doch auf Worte zu verzichten, stehen sie hier nun im Vordergrund. Die Hintergründe dazu entstehen seit einiger Zeit mit Künstlicher Intelligenz & dienen eigentlich nur einer Verzierung der mir wichtigen Aussagen.
Ist es möglich die Bild & Wort Kolumne „Wortstoerung“ bei Ihnen als Druck zu erwerben?
Nicht wirklich. Aber ich plane, nachdem eine relevante Größenordnung zusammengekommen ist, vielleicht ein Postkartenbuch oder einen Kalender damit zu machen. Hier stapeln sich die Wortspielereien & nur ein sehr geringer Teil davon schafft es überhaupt in die Zeitung.
Wenn es um Sichtbarkeit von Künstlern geht, ist es ein Alleinstellungsmerkmal wenn sie kein Social Media nutzen? Mir ist in Gesprächen mit Teenagern aufgefallen, dass die Nicht-Nutzung des schlauen Telefons schon eine Art des Punks ist.
Meine Tochter ist 22 Jahre alt & Marketingmanagerin in ihrer eigenen Firma. Und sie hat sich von mir zu Weihnachten eine analoge Kamera mit echtem Schwarzweiss-Film gewünscht & findet es nun total faszinierend, wie lange das alles dauert & wie sehr man sich konzentrieren muß. Vielleicht sollte man sie dazu mal befragen.
Ich bin – um mal in einem Wortspiel zu bleiben – social müdia. So richtig ernst kann ich das alles nicht mehr nehmen, aber so richtig davon lassen will ich auch nicht. Kommunikation hat mich schon immer interessiert & hier findet man das alles sehr pur & ziemlich ungefiltert. Im Hintergrund rabotten konservative Algorithmen daran, die alten Machtverhältnisse neu zu zemenitieren: Laute Idiologen nach oben & leise Ideen nach unten. Danke also für nichts neues.-)
Sie haben in China, unter anderem, am ANTI – NOVEL CORONAVIRUS 100 POSTERS, Ausstellung mitgewirkt. Wie sind Ihre Berühungspunkte mit Kunst in China, nehmen Sie die Kunst subversiver wahr? Corona und China ist auch ein sehr politisches Thema.
Auch hier sind es eher persönliche Kontakte ins Reich der Mitte & meine langjährige Beschäftigung mit asiatischen Kulturen & Philosophien, die mich dazu bewegen, das nicht wie einige als rand- oder rückständig zu betrachten.
Asien hat Jahrhunderte früher als Europa Papier, Schrift & Gestaltung entwickelt & auch heute noch eine deutlich weitergefasste Vorstellung von Kultur als wir weissen Wesen, die wir ja immer noch mit einem vergleichsweise kolonialen Blick darauf blicken. Asien ist sich der Ambivalenz & Paradoxa des menschlichen Daseins bewußter & das hat mich immer sehr inspiriert.
Mit den Büchern „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ von Dirk Oschmann und „Empowerment Ost“ von Thomas Oberender sprechen die Autoren vielen Menschen im Osten aus der Seele, vor allem was die Wendejahre angeht. Zu schnell ist der wundervolle Mut der DDR Bürger, als Pioniere der ersten, friedlichen, demokratischen Revolution, die tatsächlich etwas verändert hat und vom Volke ausging, vergessen worden. Was sollten wir vom Osten lernen und wo liegen die Stärken?
Eine wirklich komplexe Frage & ich fange mal von vorne an. Meine ganz persönliche Repolitisierung begann ungefähr 2015, als die erste große Welle von Flüchtenden nach Deutschland kam. Irgendwie war da schon spürbar, dass die Spring-Party vorbei ist & uns die Realität auf ihren sehr staubigen & steinigen Boden zurückholt. Dass es allerdings zu einer solchen Vielfalt an Konflikten & gesellschaftlichen Auseinandersetzungen kommen würde, war damals wohl für niemanden absehbar.
In der Zwischenzeit habe ich erfahren, dass eine lesbische Frau mit ihrer Frau mit einem sogenanntem Migrationshintergrund zwei Söhne großzieht & gleichzeitig offen ausländerfeindliche Thesen vertreten kann. Dass eine warmherzige, türkischstämmige Kolumnistin den Wiederaufbau der Mauer fordert & der erste Beauftragte für Ostdeutschland seine eigenen Leute daran erinnert, dass sie eigentlich nur beschädigte Ware sind.
Parallel kamen aber auch ganz private Erinnerungen an Begegnungen im persönlichen & beruflichen Kontext wieder an die Oberfläche meines Unterbewußtseins. Sätze, die ich eigentlich heruntergeschluckt, aber doch nie so richtig verdaut habe. Die passende Zeit also, um ein altes Fass nochmal so richtig neu aufzumachen?
Versuchen wir es mit Statistik; Wenn man die Deutschen mit einem sogenannten Migrationshintergrund und die aus der sogenannten DDR zusammenfasst, hat man es mit einer mathematischen Mehrheit zu tun, die wiederum nichts mehr mit einer sogenannten »Mehrheitsmeinung« der sonichtgenanntwerdenwollenden Westdeutschen zu tun hat (Wortwiederholungen sind völlig unbeabsichtigt).
Dennoch möchte ich mich nicht ganz mit den kneipigen & kumpeligen Thesen eines Oberenders oder Oschmanns gemein machen, die unsere zonalen Witze aus den frühen Neunzigern nur ins Erträgliche übertragen. Meine Empfehlung ist das soeben erschienene Buch »Diesseits der Mauer« von Katja Hoyer. Bereits ein Bestseller in Großbrittanien, der bald auch hier die gesamtdeutsche Geschichte ein bisschen facettenreicher zu beschreiben helfen wird.
Welches Projekt bereitet Ihnen gerade viel Freude und wo können wir es sehen?
Es ist wohl immer das nächste Projekt & wie das so bei diesen neuen Projekten ist, darf ich noch nicht allzuviel darüber verraten. Aber mich interessieren im Zusammenhang mit Kommunikation immer auch die neuesten Technologien. Es geht im weitesten Sinne um Kreativität & KI & macht meinen Alltag tatsächlich mal wieder sehr spannend.