Mittendrin statt nur dabei

Der Klub der Republik in der Pappelallee war der letzte Ort im funktionsjackendichtem Bio-Overkill, umgeben von geflüchteten Süddeutschen sowie internationalen Sinnsuchern des es geht auch anders Lebens, im nunmehr besetzten Prenzlauer Berg.

Das Gefühl des Unfertigen, Widersprüchlichem, dem nächtlichem, ungewissen Abenteuer, der “alles ist möglich” Nachwendezeit ist grauem Wohnungsbau, Angebote von heilenden Holzinstrumenten, überteuerten Kinderwagen, äußerlicher Anpassung und zugezogener Stille nach 22 Uhr gewichen.

Menschen aus den Städten der Republik fragen sich ob und was überhaupt fertig oder ausgetauscht wird: Die ungeputzten Wände oder die gebrauchten Sessel im Café? Andere wundern sich über die entspannte Beziehung mit dem Unfertigen, dem Lauten oder leisen Anderssein. Den Respekt dafür Träume zu leben, abseits von materiellen Zielen sich neu entdecken ohne soziale Zwänge.

Ich glaube die größten Missverständnisse der letzten Jahre sind die Sehnsüchte nach Ordnung im Unfertigen. Mitten in Berlin aber bitte mit Kehrwoche. Mitten im Multikulti aber bitte nur mit Birkenstock. Mitten in Kreuzberg aber mit Balkongarage. Mitten in der Weltstadt aber mit Provinzgeist: “You can take the girl out of the country, but you can’t take the country out of the girl”.

Das letzte Hurra vom C/O Berlin auf dem Dach des Postfuhramts.

Jeder Mensch hat Sehnsucht nach Zugehörigkeit. Jeder kann sich frei in der Hauptstadt vernetzen. Jeder kann sein eigenes Berlin finden. Auch Menschen mit teuren Taschen oder Logos auf Hemden, die sich gerne über oberflächliche Äußerlichkeiten definieren und sich über andere stellen.

In kleinen Sippschaften ist es einfacher sich über das Oberflächliche zu definieren weil es weniger zu vergleichen gibt und man sich sowieso ähnlicher ist. Der soziale Druck der Anpassung ist höher. Der Wunsch seinen inneren Kern zu finden niedriger. Prenzlauer Berg mutiert zu einem Bezirk der mittendrin ist aber an kultureller Bedeutung und Originalität viel verloren hat.

Ich mache mir leichte Sorgen um den Mauerpark, der letzte Ort im einstigen Arbeiterbezirk wo es keine Nachtruhe gibt und ein Hauch von “alles ist möglich” weht. Sobald die Randbebauung fertig ist sind Klagen von sich abgrenzenden Lärmspießern sicher.

Zum Glück sind die Stärken dieser einst geteilten Stadt mauerlos: Die Offenheit sich unkritisch aufs Neue einzulassen, sich immer wieder mit anderen Menschen auseinandersetzen, das Gegensätzliche zu umarmen, das Direkte, Großzügige, Ehrliche, Freche, Tolerante sowie Solidarische. Einfach zu sein. Die freie Kultur. Umsonst. Holzmarkt. RAW. Panke. Spreepark und Plänterwald. Ich hoffe, dass alles gut wird und Status nie wichtig ist, wie Jim Avignon meint.

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